2021 – ein Jahr der Jubiläen

2021 – ein Jahr der Jubiläen
Quelle: Fö.-Kr. Syn. Binswangen, Gedenkschrift 1996

Die „Alte Synagoge Binswangen – ein Haus der Begegnung und Besinnung“ hat sich in den zurückliegenden zwei Jahrzehnten zu einem bedeutenden Kulturzentrum der gesamten Region entwickelt. Mitte der 1980er Jahre propagierte der damalige Landrat, Dr. Anton Dietrich, die Idee, eine desolate Ruine in das Eigentum des Landkreises Dillingen zu übernehmen und den früheren religiösen Mittelpunkt der einstigen jüdischen Gemeinde als Erinnerungs- und Begegnungsstätte neu erstehen zu lassen. Mit der Unterstützung namhafter Fachhistoriker, eines kompetenten Architekten, leistungsstarker heimischer Handwerksfirmen, wichtiger Geldgeber, eines engagierten Bürgermeisters, Gemeinderats und Kreistags sowie vieler Idealisten konnte das Projekt realisiert werden. Am 20. Oktober 1996 fand die feierliche Wiedereröffnung statt. Als Haus der Begegnung und Besinnung sollte fortan das historische Bauwerk der gesamten Öffentlichkeit offen stehen. Zahlreiche Terminbuchungen belegen die hohe Akzeptanz dieses kulturellen Zentrums im Landkreis und in der Gemeinde.

In Zeiten, in denen immer wieder Anzeichen von Antisemitismus oder Ressentiments gegenüber Minderheiten auftauchen, installierte die Bayer. Staatsregierung das Amt eines Antisemitismusbeauftragten und übertrug das Mandat Dr. Ludwig Spaenle, dem ehemaligen bayerischen Kultusminister.

Dr. Ludwig Spaenle – Foto: Fotostudio Liebhart, München

Dessen umfangreicher Aufgabenbereich definiert sich in der Bezeichnung des Amtes: „Beauftragter der Bayerischen Staatsregierung für jüdisches Leben und gegen Antisemitismus, für Erinnerungsarbeit und geschichtliches Erbe.“ Eine seiner Hauptaufgaben im Jahr 2021 sieht Dr. Spaenle neben der Begleitung vielfältiger Aktionen in Bayern darin, die Feier eines der bedeutendsten Jubiläen in der Bundesrepublik mit zu gestalten und zu organisieren: „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“. Als Beleg für diese historische Gegebenheit dient ein Edikt des römischen Kaisers Konstantin aus dem Jahr 321. Hierin wird erstmals eine jüdische Gemeinde in Köln erwähnt.

Auch der Förderkreis Synagoge Binswangen hat im Jahr 2021 Grund zu feiern. Der Beginn jüdischen Lebens im Ort datiert in das Jahr 1525. Die erste urkundliche Erwähnung dokumentiert die Jahreszahl 1539. Die stetig wachsende Gemeinde erreichte ihren höchsten Anteil an Menschen jüdischen Glaubens im Jahr 1848 mit 415 Bewohnern, was einem damaligen Bevölkerungsanteil von 38,4 % entsprach. In den Jahren 1836/37 errichtete die jüdische Gemeinde den heute noch erhaltenen Synagogenbau. Im Zuge der zunehmenden Emanzipation der Juden in Deutschland, die mit der Reichsgründung 1871 ihren Abschluss fand, wanderten schon in den 1860er Jahren viele jüdische Menschen aus den Dörfern in die Städte ab oder emigrierten ins Ausland.

Am 10. November 1938 wurde das jüdische Gotteshaus von einem SA -Trupp verwüstet und entweiht. Damit verlor die Gemeinde ihren geistlichen und gesellschaftlichen Mittelpunkt. Das Ende des jüdischen Lebens datiert auf den 1. April 1942, als die letzten jüdischen Bewohner deportiert und in die Vernichtungslager gebracht wurden. Der Naziterror hatte ab 1933 wie ein Krake mit seinen tödlichen Armen auch das breite Land erfasst.

Der Förderkreis sieht eine sehr wichtige Aufgabe darin, die Geschichte zu erforschen, zu dokumentieren, die Erinnerung zu bewahren und das historische Erbe weiterzugeben. In bisherigen Gedenkakten erfuhr das frühere jüdische Leben im Dorf eine entsprechende Würdigung. Namhafte Gedenkveranstaltungen fanden in den zurückliegenden Jahren in zielführender Zusammenarbeit mit der Gemeinde Buttenwiesen statt.

„1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland – 495 Jahre jüdische Tradition in Binswangen – 25 Jahre Kulturarbeit in der Alten Synagoge“ bilden das magische Dreieck für eine große Jubiläumsveranstaltung am 24. Oktober. Für den Jubiläumsvortrag hat Dr. Ludwig Spaenle sein Kommen zugesagt. Das detaillierte Programm wird zeitnah in der Presse veröffentlicht.

Leider musste eine für den März 2021 geplante literarische Lesung eines sehr bedeutenden Erforschers und Kenners der jüdischen Geschichte in Deutschland und Europa, Götz Aly, abgesagt und in das Jahr 2022 verlegt werden. Für den 17. Juni ist ein interessanter Vortrag von Frau Prof. Sabine Ullmann von der Universität Eichstätt in der Synagoge fest terminiert. Als fundierte Kennerin der jüdischen Geschichte Binswangens referiert sie über „Das Leben der jüdischen Gemeinde in der frühen Neuzeit“. Am „Europ. Tag der jüdischen Kultur“, 5. September, bietet sich interessierten Besuchern wiederum Gelegenheit, in der ehemaligen Synagoge sowie auf dem jüdischen Friedhof historischen Zeugnissen zu begegnen.

An die gesamte Öffentlichkeit ergeht die Bitte, sich durch zahlreiches Interesse an den Veranstaltungen zur Erinnerung zu bekennen. Natürlich gibt die weitere Entwicklung der aktuellen Situation die Realisierung der geplanten Termine vor.